Business Circle: In unserem letzten Interview aus dem Jahr 2021 haben wir uns schon über das Berufsbild des agile lawyer unterhalten, da geht es um Flexibilität, Transparenz und Kommunikation, wie hilft uns künstliche Intelligenz, diese drei Felder zu stärken?
Katharina Bisset: Im Idealfall nehmen uns technische Innovationen wie Automatisierung und KI langweilige Routinetasks ab, die uns dann einerseits erlauben, uns auf die spannenderen Themen der juristischen Arbeit zu konzentrieren, aber auch mehr Flexibilität erlauben, in Projekten agil die Richtung zu wechseln.
BC: Mit automatischer KI - gestützter Übersetzung juristischer Texte lässt sich sicher viel Zeit sparen, aber wer haftet eigentlich für etwaige Fehler und sich daraus ergebende Schäden?
Bisset: Primär die gleichen Personen, die immer schon für die Fehler in Texten gehaftet haben. Natürlich gibt es neue Haftungsregelungen in Bezug auf KI, aber es sollte trotzdem klar sein, das im ersten Schritt, gegenüber den eigenen Kund:innen und Mandant:innen man selbst für die produzierten Inhalte haftet. Unabhängig davon, ob man sich im nächsten Schritt bei dem KI Hersteller regressieren kann, oder nicht.
Gerade Anwält:innen haben sowieso eine weitgehende Haftung und Pflicht, die Inhalte, die in ihrem Namen hinausgehen, zu prüfen. Unabhängig davon, ob der Fehler technisch bedingt oder von einer:m Mitarbeiter:in kommt.
BC: Wie ist es in Ihrer Einschätzung bei der Übersetzung juristischer Texte: 80% automatisch und 20% Mensch? Oder eher 90 zu 10? Auf welchem Niveau wird sich das Ihrer Meinung nach einpendeln und wo wird ein juristisch geschultes menschliches Auge unverzichtbar bleiben?
Bisset: Das wird stark davon abhängen, wie gut das Tool ist - 80:20 war ja schon nach Pareto immer ein gutes Verhältnis. Es kommt natürlich auch auf die Skills der Personen an. In der Übersetzung ist die Nutzung von automatisierten Tools schon lange üblich - diese waren erst technisch einfacher als eine KI, aber konnte bereits Textpassagen automatisiert übersetzen. Das ist also nichts neues.
Einpendeln wird es sich nicht über alle Arten von Texten - es wird immer darauf ankommen, was übersetzt wird. Ein Social Media Posting braucht weniger Aufmerksamkeit als Klauseln in einem Multi-Millionen-Euro-Vertrag.
Die gesparte Zeit richtig nutzen
BC: Daran anschließend: Was macht man am besten mit der gesparten Zeit?
Bisset: Im Idealfall würde ich sagen, Zeit mit den liebsten Menschen und Tieren verbringen und seine Hobbies verfolgen. Das hängt aber natürlich von den Zielen jeder einzelnen Person ab.
BC: Unsere Konferenz hat umfirmiert zur Legal Innovation – hat „Legal Tech“ als Buzzword ausgedient?
Bisset: In gewisser Weise, ja. Es ist noch immer viel zu präsent in den Köpfen, dass wenn man nur dass gehypte Tool X kauft, dann "LegalTech macht“ und man zukunftsfit ist. Daher ist es so wichtig, den Schritt zurück zu machen, und mit den Menschen und den Prozessen zu beginnen. Die Auswahl des Tools ist im besten Fall erst der aller letzte Schritt, wenn man genau weiß, wie man arbeitet und was man braucht.
BC: Wir gehen jetzt schon seit einiger Zeit ein Stück gemeinsamen Weges, was ist für Sie das Besondere an Business Circle, und vor allem an der Legal Tech / Legal Innovation?
Bisset: Zu beidem kann ich sagen: die Menschen. Innovation beginnt mit den Menschen, die inspirieren, die tolle Dinge erschaffen, spannende Ideen haben, etwas anders angehen, und die vielen vielen spannenden Gespräche.
BC: Liebe Frau Mag. Bisset, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie wieder bei der Vienna Legal Innovation zu begrüßen!
RA Mag. Katharina Bisset, MSc ist Anwältin, aber anders. Eine solide rechtliche Basis für die Digitalisierung ist für sie der Anfang jeder Herausforderung, aber bei Weitem nicht das Ende. Sie ist Sparringpartnerin für Unternehmer:innen, hat Code im Herzen und Paragrafen im Blut und meistert die Challenges der digitalen Transformation – immer im Bestreben, das nächste Level zu erreichen. Als Co-Founderin von NetzBeweis und Nerds of Law praktiziert sie nicht nur Recht, sondern schreibt den Code der juristischen Innovation neu. Ihr Quest nach neuesten Technologien und Methoden ebnete ihr nicht nur den Weg zum MSc, sondern lehrte sie vor allem eines: Smarte und agile Prozesse führen schneller zum gewünschten Ziel. Dass nicht nur Recht und Technik gut zusammenpassen, zeigt Katharina auch in anderen Disziplinen, und gibt dieses Wissen gerne weiter: Im Nerds of Law Podcast und als Vortragende, Lektorin auf der Fachhochschulbühne oder im Arbeitskreis IT und Digitalisierung des ÖRAK und als Disziplinarrätin in der RAKNÖ. Bei der Vienna Legal Innovation am 16. / 17. April moderiert sie das Panel zum Thema "Tech trifft auf Innovation im Legal".