Business Circle: Sehr geehrte Frau Mag. Terko, in unserem letzten Interview vor einem Jahr haben Sie Nachhaltigkeit als Gamechanger identifiziert, was waren in Ihren Augen die wichtigsten Schritte des Jahres 2023 auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft?
Sanela Terko: Das Jahr 2023 hat eine Vielzahl von Neuerungen in der nachhaltigkeitsrelevanten Regulatorik mit sich gebracht. Mit den erweiterten Berichtspflichten im Bereich der nicht-finanziellen Berichterstattung hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, nachhaltigkeitsrelevante Informationen zu standardisieren sowie die Transparenz von Unternehmen zu erhöhen. Man möchte so erreichen, dass Finanzströme künftig verstärkt in nachhaltige Unternehmen und Wirtschaftsaktivitäten fließen. Am 31.7.2023 wurde nun das erste Set der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) von der Europäischen Kommission angenommen. Es schafft Klarheit für rund 50.000 Unternehmen in der Europäischen Union, die von der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) betroffen sind und künftig auch nicht-finanzielle Offenlegungspflichten in ihren Lagebericht einbetten müssen. Die final verabschiedeten Standards umfassen eine Vielzahl an Berichtspflichten, die Managementansätze, Strategien, Ziele sowie spezifische Indikatoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance mit sich bringen. Zahlreiche Unternehmen beschäftigen sich aktuell mit der Etablierung ganzheitlicher Managementansätze und Prozesse, um auf die künftig erweiterten Berichtspflichten vorbereitet zu sein.
Aber nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf internationaler sahen wir im Jahr 2023 Neuerungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung – Mitte des Jahres stellte auch das International Sustainability Standard Board (ISSB) neue Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor.
Die neuen Anforderungen an die nicht-finanzielle Berichterstattung unterstreichen, wie wichtig es ist, das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie zu verankern und als einen integralen sowie unerlässlichen Bestandteil aller Geschäftsprozesse zu sehen. Mit der neuen Regulatorik wurde im Jahr 2023 nun der Grundstein für eine transparentere und nachhaltigere Wirtschaft gelegt und auch im kommenden Jahr erwarten wir weitere Entscheidungen und Veröffentlichungen in diesem Bereich.
BC: Wie bewerten Sie in dieser Hinsicht die neue EU-Lieferkettenrichtlinie: Ein Schritt in die richtige Richtung oder das nächste Bürokratie-Monster?
Terko: Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) fordert den betroffenen Anwender:innenkreis zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrecht und Umwelt auf, um künftig negative Auswirkungen in ihrer Aktivitätenkette zu vermeiden. Sie inkludiert die vorgelagerten Geschäftspartner:innen, die in Zusammenhang mit der Produktion der Güter beziehungsweise der Bereitstellung von Dienstleistungen des von der CS3D betroffenen Unternehmens stehen, sowie nachgelagerte Geschäftspartner:innen, die an der Distribution, dem Transport, der Lagerung sowie der Beseitigung des Produkts beteiligt sind. Eine politische Einigung zur Richtlinie ist noch ausstehend (Stand Ende Februar 2024).
Viele Aktivitätsketten sind durch ihre Komplexität geprägt, was Betroffene vor Herausforderungen in der Umsetzung stellt und somit auch für viel Gegenwind sorgt. Wir müssen jedoch erkennen, dass es unerlässlich ist, diese Strukturen genau zu beleuchten, um eine Verbesserung der Umweltverträglichkeit oder auch der Arbeitsbedingungen von Mitarbeiter:innen in der gesamten Aktivitätskette zu erreichen.
Funktionierende Nachhaltigkeitsprinzipien sind bereits in vielen Organisationen verankert. Jetzt sind Unternehmen gefordert, diese auf die gesamte Aktivitätskette auszurollen. In einem ersten Schritt sollten die Betroffenen der CS3D einen effektiven Risikomanagementansatz wählen und Risiken identifizieren, um diese in weiterer Folge entsprechend zu adressieren. Auch der Einsatz von digitalen Tools wird hier eine wesentliche Rolle spielen. Mit der Integration eines entsprechenden Risikomanagements im Unternehmen sowie der Hilfe von Digitalisierung und Automatisierung ist auch diese Herausforderung zu meistern.
Es muss Commitment sowie Rückhalt von der obersten Leitung geben
BC: Wie sind Vorstand und Management Board gefordert, um das „G“ in ESG zu stärken? Und welche Rolle kommt hier dem Aufsichtsrat zu?
Terko: Um das Thema Nachhaltigkeit wirkungsvoll in einem Unternehmen zu verankern, ist es essenziell, dass es hierzu ein Commitment sowie Rückhalt von der obersten Leitung gibt. Diese ist gefordert, entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen und notwendige Gremien einzurichten. Nur so kann einer Überwachung und Weiterentwicklung nachhaltigkeitsrelevanter Aspekte Sorge getragen werden. Der Aufsichtsrat fungiert als wesentliches Kontrollorgan im Unternehmen und überwacht die Einhaltung maßgeblicher Rechtsnormen sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
BC: Und mit welchen Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass das dann auch im Unternehmen authentisch gelebt wird? Einen voluminösen Code of Conduct zu schreiben, wird allein nicht ausreichen.
Terko: Wichtig ist, dass alle relevanten internen Stakeholder:innen in die Setzung entsprechender Maßnahmen oder auch die Erstellung eines Code of Conducts eingebunden sind. Auch hier zählt es zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren, dass die oberste Leitung die Prinzipien vorgibt und auch lebt.
BC: Nur was man messen kann, kann man auch steuern. Mit welchen Kennzahlen ist es empfehlenswert, zu arbeiten?
Terko: Ein Richtig oder Falsch gibt es in diesem Fall nicht. Die Auswahl effektiver Kennzahlen hängt maßgeblich von der Größe, der Tätigkeit sowie dem Standort des Unternehmens ab. Betrachten wir ein produzierendes Unternehmen, könnten beispielweise die angefallene Menge an Abfall, die Anzahl an Arbeitsunfällen oder auch die emittierte Menge an bestimmten Luftschadstoffen zu den ESG-relevanten Kennzahlen zählen. Entscheidend hierbei ist, dass Unternehmen neben monetären Kennzahlen auch ESG-Indikatoren in ihr Reporting einbeziehen und diese kontinuierlich überwachen, um frühzeitige Maßnahmen setzen zu können.
BC: Sie waren ja letztes Jahr schon Teil des Sustainability Summits, möchten Sie Ihren Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?
Terko: Es ist immer wieder spannend, am Sustainability Summit teilzunehmen, da dieses Event Expert:innen aus den verschiedensten Branchen zusammenbringt und eine einzigartige Möglichkeit des Austauschs mit sich bringt. Ich empfinde es als sehr wichtig, dem Thema Nachhaltigkeit eine Plattform zu bieten und denke, dass dieses Event nicht nur den Teilnehmenden, sondern unserer Gesellschaft als Ganzes einen Mehrwert bietet.
BC: Liebe Frau Mag. Terko, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie wieder zum Sustainability Summit zu begrüßen!
StB Mag. Sanela Terko, CPA ist Partnerin bei BDO. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Prüfung und Beratung im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung. Sie ist Mitglied der AFRAC-Arbeitsgruppe „Sustainability Reporting“ sowie der Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ des Fachsenats der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen. Beim 4. Austrian Sustainability Summit am 21. / 22. März 2024 gibt Sie zwei Talks, die sich vor allem mit dem „G“ in ESG beschäftigen.