Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Renner, sehr geehrte Frau Dr. Wildner Sie begleiten Business Circle jetzt gemeinsam schon seit 2017 als Vortragende zum „Vertrags-Know-how für Nicht-Juristen“, was hat sich in der von Ihnen auf dem Seminar behandelten Materie in dieser Zeit am meisten verändert?
Wolfgang Renner: Grundsätzlich ist das Vertragsrecht eine eher statische Rechtsmaterie. Es beruht im Kern auf Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches und des Unternehmensgesetzbuches, die teilweise jahrhundertealt sind und hauptsächlich durch die Rechtsprechung weiterentwickelt werden. In den letzten Jahren gab es einige kleinere Änderungen, hauptsächlich auf dem Gebiet des Gewährleistungsrechts, um dieses auf europäischer Ebene zu harmonisieren.
Monika Wildner: Die Harmonisierung im Rahmen von EU Richtlinien begleitet uns laufend und betrifft immer wieder auch Haftungsthemen. Aktuell soll die zivilrechtliche Haftung mit der Richtlinie über KI-Haftung ergänzt und modernisiert werden.
BC: Wie beurteilen Sie die zunehmende Verwendung von KI-basierter Software zur Vertragserstellung und welchen Einfluss hat das auf das Verhältnis eines Unternehmers zu seinem Anwalt?
Renner: Die KI Technologie steckt in den Kinderschuhen und hat daher auf unsere praktische Arbeit oder die Beziehung zu unseren Klienten noch keinen Einfluss. Wir sind uns aber des Umstands bewusst, dass sich das in den kommenden Jahren rasant ändern kann. Die größte Gefahr sehe ich darin, dass Klienten beginnen, Verträge mit KI Unterstützung selbst zu schreiben und wir Rechtsanwälte von Vertragsgestaltern zu Feuerwehrleuten werden, die die mit Sicherheit entstehenden Fehler und Regelungslücken im Nachhinein beheben müssen.
Wildner: Die Verwendung KI-basierter Software wird sich maßgeblich verstärken und im Weiteren die beteiligten Personen vor zahlreiche Rechtsfragen stellen, sowohl zivilrechtliche, aber auch Datenschutz- und urheberrechtliche Fragen. Aktuell gibt es aber noch keinen Einfluss auf das Mandantenverhältnis. Es wird aber vermutlich vielmehr auf Grund der Frage der Zurechnung gerade im Bereich der Haftung viel Beratungsbedarf, im Idealfall im Vorfeld, geben.
BC: Ab welchem Punkt (z.B. Komplexität der Rechtsmaterie, finanzieller Umfang) sollte ein nicht juristisch vorgebildeter Manager in der Vertragsgestaltung einen Rechtsberater zu Rate ziehen? Welches sind die wichtigsten Kriterien außerhalb des Finanziellen?
Renner: Das hängt maßgeblich von der Natur und dem Umfang eines Vertrags ab. Handelt es sich um standardisierte Verträge oder AGBs, ist es sinnvoll, einmal ein wirklich gutes Vertragsmuster in Auftrag zu geben, mit dem man dann im Unternehmensalltag arbeiten kann – man benötigt dann auch keine ständige Beratung bei jedem Vertragsabschluss. Handelt es sich um einen komplexen, individuell auszuarbeitenden Vertrag, ist es sinnvoll, den Berater frühzeitig ins Boot zu nehmen, damit man bereits mit einem professionellen Entwurf in die Vertragsverhandlungen geht.
Wildner: in jedem Fall ist es sinnvoll, Experten möglichst früh einzuschalten. Bei jedem individuellen Vertrag gibt es ausreichend Themen, und gerade durch frühzeitige Beratung können massiv Ressourcen, auch für die Zukunft, gespart werden.
Ein funktionierendes Contract Management aufsetzen
BC: Welches sind die wichtigsten Aspekte, die nach dem Unterzeichnen des Vertrages beachtet werden müssen?
Wildner: Nach Unterzeichnung ist vor der Umsetzung. Allfällige Bedingungen sind noch abarbeiten, umzusetzen und zu dokumentieren. Ein funktionales Contract Management ist hilfreich, dies sollte nicht nur den Vertrag samt vollständigen Anlagen, sondern auch die internen und externe Kommunikation dazu (Emails, Protokolle etc) umfassen.
BC: Welche sind die Fehler, die bei der Vertragsgestaltung passieren können, wenn man nicht juristisch vorgebildet ist? Was sind einige typische „Sünden“ im Vertragsmanagement
Renner: Die größten Fehler sehen wir in der Praxis bei den Themen Verzugsfolgen, Haftungsumfang und -beschränkungen, und bei grenzüberschreitenden Verträgen beim Thema Rechtswahl und Gerichtsstand. Das gibt es viele Sünden, wobei ich auch hier den Besuch des Seminars empfehle, in dessen Rahmen wir auf eine Vielzahl von typischen Fehlern eingehen, die wir in der Praxis öfter sehen.
Wildner: Eine allgemeine Risikoanalyse ist eine gute Ausgangsbasis und wird oft nicht erstellt. Auch geregelter Streitbeilegungsmechanismus wird nicht ausreichend ermessen; gerade beim „Kleingedruckten“ gegen Ende des Vertrags ist noch Aufmerksamkeit geboten.
BC: Ist ein Prokurist im Vergleich zu einem Geschäftsführer ebenfalls voll haftbar?
Renner: Die kurze Antwort auf die Frage lautet: nein. Insbesondere hat der Prokurist keine insolvenzrechtliche Haftung (Insolvenzverschleppung, Krida etc), und auch ist auch von der den Geschäftsführer fallweise betreffenden persönlichen Haftung für Strafen, Steuern und Abgaben des Unternehmens nicht betroffen.
BC: Abschließend: Was gefällt Ihnen besonders an den Vertrags-Know-how Seminaren am besten, warum kommen Sie gerne wieder?
Renner: Als Vortragender gefällt mir, nach all den Jahren, nach wie vor der Austausch mit den Seminarteilnehmern, der das Seminar immer spannend macht. Die Teilnehmer besprechen mit uns Fragen und Probleme aus ihrer Praxis. Dies macht einen guten Teil der Veranstaltung (die ja eigentlich als Workshop konzipiert ist) aus, und wir freuen uns immer darüber, wenn wir den Teilnehmern Denkanstöße geben bzw. mit Ihnen im Gespräch Strategien entwickeln können.
Wildner: Auch meiner Meinung nach ist der Austausch mit den Teilnehmers der spannende Teil und auch impulsgebend, in welche Richtung wir die Schwerpunkte in jedem Seminar legen. Da wir versuchen, möglichst viele der jeweils aufgebrachten individuellen Themen zu behandeln., läuft jede Veranstaltung ein wenig anders ab.
BC: Sehr geehrter Herr Dr. Renner, sehr geehrte Frau Dr. Wildner, wir danken Ihnen für dieses Interview und freuen uns auf den nächsten Termin
RA Dr. Wolfgang Renner, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Renner Wildner Bauer Rechtsanwälte. Zuvor war er als Rechtsanwalt bei Renner Höllerl und bei Haarmann Hemmelrath & Partner, München/Wien sowie bei der Kanzlei Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Wien tätig.
RA Dr. Monika Wildner, LL.M (NYU) ist Rechtsanwältin und Partnerin in der Kanzlei Renner Wildner Bauer Rechtsanwälte in Wien. Zuvor was sie Partnerin bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH und M&A Inhouse Counsel bei der Raiffeisenzentralbank.
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Zum Interview mit Dr. Franz Brandstetter: