Vor Kurzem wurde das erste Set der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) endgültig beschlossen. Es ist für Unternehmen, die bisher schon eine nichtfinanzielle Erklärung oder Bericht angeben müssen, bereits ab 2024 anzuwenden. 2025 folgen alle großen Kapitalgesellschaften.
1.000 plus Datenpunkte in der Basisversion
Die beschlossenen ESRS, die derzeit nur branchenunabhängige Regeln (Set 1) umfassen, enthalten rund 1.100 Datenpunkte, davon 950, die verpflichtend anzugeben sind, sofern sie wesentlich sind. Zusätzlich werden gerade umfangreiche Anwendungsleitlinien zu Materiality Assessment und Value Chain vorbereitet.
Das ist eine Unmenge an Daten. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Europäische Kommission zeitgleich zur Inkraftsetzung dieser Standards dabei ist, Vorschläge für eine 25-prozentige Reduktion der Berichtspflichten europäischer Unternehmen zu sammeln. Da würde einem schon einige Möglichkeiten einfallen …
Dazu kommen in Kürze KMU-Standards und später auch noch Branchenstandards, deren Erarbeitung gerade um zwei Jahre verschoben wurde. Die Verschiebung erfolgt, weil EFRAG als diejenige Organisation, die die Standards erarbeiten soll, voll mit den ersten Standards beschäftigt ist.
Branchenstandards
Soll man froh sein, dass Branchenstandards auf sich warten lassen? Nicht wirklich, denn ESRS 1 sieht vor, dass Unternehmen über wesentliche unternehmensspezifische Auswirkungen, Risiken und Chancen berichten müssen, auch wenn dies nicht explizit in Standards steht. Branchenstandards würden hier in der Praxis helfen. Es gibt allerdings Übergangsbestimmungen mit Erleichterungen für die ersten drei Jahre.
Wieso betrifft es auch KMUs?
Wer glaubt, KMUs bleiben verschont, irrt. Eigene Berichtspflichten mit vereinfachten Standards wird es für börsennotierte KMU geben. Andere KMU sind jedoch indirekt betroffen. Die ESRS umfassen nämlich auch Datenpunkte über die vor- und die nachgelagerte Wertschöpfungskette. KMU in der Wertschöpfungskette der großen berichtspflichtigen Unternehmen sind mit deren Datenhunger konfrontiert. Die EU arbeitet deshalb auch an freiwilligen Standards für nicht börsennotierte KMU, die hoffen, dann nur die darin enthaltenen Datenpunkte liefern zu müssen. Wie das in der Praxis funktioniert, wird man sehen.
EU als Vorreiter
Mit den ESRS ist die EU international Vorreiter einer umfassenden verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung. International gibt es bisher verpflichtende Standards hauptsächlich zur Klimaberichterstattung. Auch das ISSB erarbeitet Standards nacheinander und nicht gleichzeitig. EFRAG ist dabei, die Berichtsanforderungen der ESRS mit denen anderer Regelwerke zu vergleichen. Das Ziel wäre ja, dass Nachhaltigkeitsberichte global vergleichbar sind.
Vorreiter sowohl beim Umfang als auch mit einem extrem detaillierten Regelwerk zu sein, macht es für die Praxis, Unternehmen und Prüfer schwer. EFRAG hat vor kurzem eine online ESRS Q&A Plattform eingerichtet, die gerade mit Fragen übergeht. Auch das DRSC hat schon eine Reihe von Fragen darauf eingereicht. Ob und wann Antworten darauf kommen, wird sich zeigen.
Was gibt es auf der RECON zu diesem Thema?
Aufgrund ihrer Aktualität ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein Kernthema auf der RECON, sowohl speziell zu einzelnen Standards und deren Anforderungen als auch zu Themen, die von der Berichterstattung ausgelöst werden. Themen, die das Management und Controlling beschäftigen, sind unter anderem Wesentlichkeitsanalyse, Setzen von Klimazielen, KPIs, Wertschöpfungsketten, Datenqualität und Umsetzung in internen Berichtssystemen. Auch das Rechnungswesen ist betroffen: Unter dem Titel „Connectivity“ kommen Themen über den Zusammenhang von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung auf, etwa ob und wie sich Nachhaltigkeitsrisiken im Abschluss widerspiegeln.
Aber auf der RECON gibt es natürlich, wie gewohnt, auch viele andere aktuelle und wichtige Themen. Ich freue mich auf eine spannende und informative RECON mit intensivem Austausch zu den aktuellen Themen.
Über den Autor:
Univ.Prof. Dr. Dr. h.c. Alfred WAGENHOFER ist fachlicher Leiter der RECON. Er ist Vorstand des Instituts für Unternehmensrechnung und Controlling sowie Direktor des Center for Accounting Research an der Universität Graz.
Veranstaltungstipp:
RECON in Congresshotel Sonnreich, Loipersdorf